Hohes Mittelalter (etwa 1100–1250)
Um die Mitte des 12. Jahrhunderts ereignete sich in jeder Hinsicht ein tiefgreifender Wandel. Die Themen und Formen der Literatur wurden vielfältiger; die schriftliche Verbreitung erfasste nun auch Stoffe, die zuvor für unwürdig galten, aufgeschrieben zu werden (höfische Lyrik, unterhaltende Erzählungen). Auch die geistliche Dichtung entwickelte ein neues Interesse an der Einzelperson und ihrer Lebensgeschichte (Legendendichtungen, z. B. Albers „Tundalus“, Veldekes „Servatius“).
Um die Mitte des 12. Jahrhunderts gewann auch die Geschichtsepik als stärker weltlich orientierte Dichtung erstmals poetischen Rang. Das bedeutendste Werk, die Kaiserchronik mit rund 17.000 Versen, erzählt episodenhaft die Geschichte des römischen Kaisertums von der Gründung Roms bis zu Konrad III. Das Rolandslied des Pfaffen Konrad schildert den Kampf Karls des Großen und seiner Paladine gegen die Sarazenen in Spanien sowie den Tod Rolands nach einem Verrat. Mit dem Rolandslied und dem 'Alexander' des Pfaffen Lamprecht machte sich auch erstmals der Einfluss französischer Stoffe und Gestaltungsweisen bemerkbar, der die deutschsprachige Literatur für die nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte prägen sollte.
Wolfram von Eschenbach; Autorenbild in der Manessischen Liederhandschrift
In den Jahrzehnten nach 1150 brach eine „Blütezeit“ der deutschsprachigen Literatur an. An einzelnen Höfen des Feudaladels verbreitete sich eine kultivierte literarische Praxis nach romanischsprachigem Vorbild: die sogenannte Höfische Literatur. In der Lyrik entwickelte sich der Minnesang und die Sangspruchdichtung, mit ihren wichtigsten Vertretern Heinrich von Morungen, Reinmar und Walther von der Vogelweide. Für die höfische Epik galt schon den Zeitgenossen als Gründungsakt der Eneasroman des Heinrich von Veldeke, der vom Niederrhein an den Landgrafenhof in Thüringen kam und sein Werk dort gegen 1185 fertigstellte. Danach entstanden nach französischsprachigen Vorlagen (Chrétien de Troyes) zahlreiche höfische Epen in mittelhochdeutscher Sprache. Die bekanntesten sind hier „Erec“ und „Iwein“ (Hartmann von Aue), „Tristan und Isold“ (Gottfried von Straßburg), „Parzival“ (Wolfram von Eschenbach). Abseits von dieser „modernen“ Erzählkultur bleibt das anonym überlieferte Heldenepos „Nibelungenlied“.
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